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Auf Tuchfühlung mit Jesus -

Das Turiner Grabtuch in unserer Pfarrkirche    

Turiner Grabtuch

Dem Mann, dessen Gesicht sich auf geheimnisvolle Weise auf dem Leinentuch mit Fischgrät-muster erhalten hat, wurde die Nase gebrochen. Seine Wangen, sein Kopf, sein Körper wurden gefoltert, malträtiert, mit mehr als 100 Schlägen gegeißelt. Aus einer längeren Stich-wunde, die ihm eine Lanze beigebracht hat, lief Blut seine Lende hinunter. Auch eine Dornenhaube auf seinem Haupt verletzte ihn. Spuren seines Blutes finden sich auf dem Grabtuch, in das der Leichnam gewickelt war.
„Im Turiner Grabtuch widerspiegelt sich das Bild des menschlichen Leids“, sagt der Regensburger Regionaldekan und Pfarrer von St. Wolfgang, Prälat Alois Möstl, und dabei denkt er an die Grausamkeiten unserer Zeit, an Terror, Krieg, das Leiden von Flüchtlingen. Das Tuch ist für ihn unter anderem „ein Zeugnis für die schreckliche Fähigkeit des Menschen, anderen Leid und Tod zuzufügen“. In unserer Pfarrei dürfen wir das Faksimile dieses Tuches, welches Bischof Rudolf den Pfarreien unseres Bistums in diesem Heiligen Jahr zur Verfügung gestellt hat, vom Mittwoch der Karwoche, 23.03. bis zum 01.04. beherbergen. Näheres zur Geschichte und Bedeutung des „echten Turiner Grabtuches“ weiß der Althistoriker Karlheinz Dietz, emeritierter Professor der Uni Würzburg, zu berichten. Dietz gilt als einer der wichtigsten Experten für das Turiner Grabtuch und hat seit 1983 mit dem Thema befasst. Seit seiner Emeritierung widmet sich der ehemalige Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Würzburg hauptsächlich der Erforschung des Turiner Grabtuchs. Er ist überzeugt: In diesem Tuch lag tatsächlich der gekreuzigte Jesus Christus. „Beweisen kann ich das als Historiker selbstverständlich nicht.“ Aber da gibt es eine Fülle von Indizien, die Dietz von einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit sprechen lassen. Indizien, die das stützen, wovon Millionen von Christen überzeugt sind oder was sie sich erhoffen: dass es sich bei den Spuren auf dem Turiner Grabtuch tatsächlich um den Abdruck des Gottessohns handelt. Und dass das Grabtuch mehr ist als eine künstlich erschaffene Ikone. Dass es eine echte Reliquie ist.
Bischof Rudolf hat in seinem jüngst veröffentlichen Hirtenwort zur österlichen Bußzeit geschrieben: „Das Grabtuch von Turin ist für mich persönlich einer der ergreifendsten und bewegendsten Gegenstände der Geschichte. Sehr vieles spricht dafür, dass in ihm tatsächlich für kurze Zeit der vom Kreuz abgenommene Leichnam unseres Herrn Jesus Christus eingehüllt war. Auf bis heute nicht geklärte Weise haben sich auf diesem Tuch die Umrisse seines Leibes, die Spuren seines Leidens und vor allem sein Angesicht eingeprägt. Alle Versuche, es als Gemälde oder spätere Fälschung zu entlarven, sind fehl-geschlagen. (…) Niemand ist verpflichtet, an die Echtheit dieses Tuches zu glauben. Aber ich lade Sie alle ein, sich diesem geschundenen und doch so erhabenen Antlitz auszusetzen, das dieses Tuch zu einer wahren Ikone der Barmherzigkeit macht.“ Auch andere Vertreter der Kirchen halten sich in Fragen der Echtheit des Grabtuchs zurück. Für den Glauben sei dies nicht relevant. „Es hat den Glauben an die Auferstehung Christi vor Entdeckung des Tuchs gegeben, und es wird ihn auch geben, wenn sich herausstellen würde, dass das Tuch nicht echt wäre“, sagt Dietz. Doch das Grabtuch entspreche ganz offensichtlich den Berichten des Evangeliums. Die Ähnlichkeiten mit der Passion Christi seien frappierend. Die Auseinandersetzung mit „la sacra sindone“, wie das Tuch in Italien auch genannt wird, lädt dazu ein, den eigentlichen Grund des Erlösungstodes Jesu neu zu entdecken. Das Grabtuch wurde immer wieder der Öffentlichkeit gezeigt. Welche Indizien sind es, die für die Echtheit des Tuches sprechen? Die Ergebnisse eines Radiokarbon-Tests, dem das Tuch 1988 von mehreren Labors unterzogen wurde und der das Tuch in die Zeit zwischen 1260 und 1390 n. Chr. datiert, sind laut Dietz nicht mehr haltbar. Das kleine Stück Stoff für den Test wurde genau an einer Ecke herausgeschnitten. „Dort, wo man das Tuch jedes mal hielt, wenn es gezeigt wurde. Außerdem hat man unter dem Mikroskop festgestellt, dass das Tuch an dieser Stelle eine besondere Beschaffenheit aufweist.“ Und es gibt Flecken, die mit einem Brand 1532 in Verbindung stehen, bei dem das Tuch beschädigt wurde. Verunreinigungen aus Jahrhunderten – sogar der Abrieb von Gummi, eventuell von Handschuhen – befanden sich auf dem Tuchstück. „Es ist ganz sicher die falsche Stelle entnommen worden“, sagt Dietz. Eine klare zeitliche Zuordnung war deshalb gar nicht möglich. In späteren Untersuchungen der Proben wurden aber beispielsweise Pollen von Pflanzen nachgewiesen, die nur in Israel vorkommen. Das Grabtuch ist laut Prof. Dietz einzigartig. Die textile Struktur des Tuches ist außerordentlich. Und auch, wie es zu den Abdrücken des Leichnams kam, ist ungeklärt. „Sicher ist: Es ist keine Malerei, wie man früher einmal geglaubt hat. Sondern in diesem Tuch hat tatsächlich ein Leichnam gelegen. Wie es zur Abzeichnung des Körpers kam, das kann man nicht sagen. Man weiß, dass sich der Körper in der Leichenstarre befunden hat, als das Bild entstand, –und dass der Körper sich nachher nicht mehr im Tuch befunden hat“, erklärt der Historiker. Allein dies ist schon ein Mysterium. Das Gesicht eines Gekreuzigten ist gerade im Negativ des Turiner Grabtuchs deutlich zu erkennen und wird als Antlitz von Christus verehrt. Die Ähnlichkeiten mit der Passion Christi liegen auch für Dietz auf der Hand: Der Gekreuzigte nahm offenbar eine Sonderstellung ein. Kein anderer Verfemter (Rechtloser), der gekreuzigt werden sollte, wurde vorher in diesem Ausmaß gegeißelt – mit über 100 Schlägen. Anders als anderen Gekreuzigten wurden diesem Mann nicht die Beine zerschlagen. Vom Lanzenstich in die Seite wird in den Evangelien berichtet. Ihm sitzt eine Dornenhaube auf dem Haupt. Und dieser Mann wurde nicht, wie es ikonografische Darstellungen des Gekreuzigten späterer Jahrhunderte zeigen, an den Handflächen ans Kreuz genagelt, sondern an den Handgelenken, an der einzigen geeigneten Stelle, um das Körpergewicht zu tragen. Soviel ist sicher: In diesem Tuch lag ein tatsächlich Gekreuzigter.
Der Wahrheit auf die Spur zu kommen, wird nicht einfacher. Die Kirche erlaubt keine invasiven Verfahren zur Erforschung des Tuches mehr, erklärt Dietz, also keine Technik, bei der Gewebeproben entnommen werden müssen oder das Tuch auf andere Weise in seinem Bestand gefährdet ist. Dafür hat er Verständnis. Aber das schränkt die Wissenschaft ein.
Wir laden Sie herzlich ein, das „Faksimile des Turiner Grabtuches“ in den kommenden Kar- und Ostertagen in unserer Pfarrkirche zu besuchen, es anzuschauen, zu meditieren und vielleicht Ihren eigenen Zugang zum Heilswerk der Erlösung in Jesus Christus zu finden. Gehen Sie im wahrsten Sinne des Wortes auf Tuchfühlung mit Jesus!
(Text und Foto: Thomas Schmid)